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Vodafone, Nokia und Ericsson: Brandbrief an die EU

Europas Mobilfunkbranche wendet sich an die EU-KommissionAngst vor über­mäch­tiger Konkur­renz aus China, zu viel Regu­lie­rung und zu wenig Förde­rung des 5G-Ausbaus. Kern­punkte eines Protests aus der Branche.

Eine unge­wöhn­liche Koali­tion von ansonsten in heftiger Konkur­renz stehenden Netz­werk­aus­rüs­tern und einem großen in Europa und darüber hinaus aktiven Netz­betreiber wendet sich in einem gemein­samen Aufruf an die Politik und die Öffent­lich­keit.

Die Rede ist von Ericsson, Nokia und Voda­fone: Sie fordern die Politik auf, drin­gend zu handeln, um die euro­päi­sche Wett­bewerbs­fähig­keit zu sichern.

Warnung vor "mangelnder Wett­bewerbs­fähig­keit"

Europas Mobilfunkbranche wendet sich an die EU-KommissionFoto: Image licensed by Ingram Image, Logos: Anbieter, Montage: teltarif.de Gemeinsam warnen die drei Unter­nehmen vor den Folgen für die digi­tale Wett­bewerbs­fähig­keit Europas, wenn den jüngsten poli­tischen und poli­tischen Diskus­sionen nicht recht­zeitig konkrete Maßnahmen folgen sollten. Die Unter­nehmen sehen drin­genden Hand­lungs­bedarf, da Europa bei der Einfüh­rung von 5G-"Mittel­band­netzen" und bei den Entwick­lungs­mög­lich­keiten in Berei­chen wie Künst­liche Intel­ligenz (KI) und Quan­ten­tech­nologie bereits hinter anderen Regionen der Welt zurück­liege.

In einem gemein­samen Posi­tions­papier fordern sie eine "die Branche unter­stüt­zende Regu­lie­rung" und eine Markt­kon­soli­die­rung. "Europa muss nun sehen, dass diese Erklä­rungen in klare Pläne und konkrete Maßnahmen münden, die Inno­vationen fördern, Inves­titionen anziehen und einen echten digi­talen Binnen­markt schaffen", so die Kern­these.

Chef­lob­byisten schreiben Zeitungs­artikel

Um den Forde­rungen Gewicht zu verschaffen, haben die jewei­ligen Chef­lob­byisten der Unter­nehmen (Andrew Lloyd, Ericsson; Marc Vancop­pen­olle, Nokia; Ben Wreschner, Voda­fone) einen Leit­artikel im Poli­tik­magazin "Poli­tico Europe" verfasst.

Die Autoren betonen, dass ihre Forde­rungen im Einklang mit den ehrgei­zigen Zielen der EU-Kommis­sion für digi­tale Netze stünden, die im Februar 2024 vorge­stellt wurden.

Was die Indus­trie heraus­for­dert

Die Autoren nennen Probleme, welche "die digi­tale Trans­for­mation im euro­päi­schen Tele­kom­muni­kati­ons­sektor behin­dern" würden. "Die Netz­betreiber waren lange Zeit mit Frequenz­auk­tionen konfron­tiert, die mitunter Kosten in drei­stel­liger Millio­nen­höhe verur­sachten, was durch die kurze Lauf­zeit der Lizenzen oft noch verschlim­mert wurde. Wenn die Betreiber versucht haben, durch Konso­lidie­rung (also Zusam­men­legung) Größen­vor­teile zu erzielen, um größere Inves­titionen in ihre Infra­struktur zu ermög­lichen, seien sie manchmal mit "wett­bewerbs­ver­zer­renden Abhil­femaß­nahmen konfron­tiert" worden.

Die Unter­nehmen fordern eine Moder­nisie­rung der Regu­lie­rung - mit weniger, flexi­bleren und einfa­cheren Regeln. Sie sehen das als "Schlüssel zur Wett­bewerbs­fähig­keit der euro­päi­schen digi­talen Inno­vation".

Konso­lidie­rungs- und Regu­lie­rungs­her­aus­for­derungen hätten - neben hohen Kosten, der Infla­tion, Zins­erhö­hungen und dem poli­tischen Druck, nied­rige Preise beizu­behalten - ein "perfektes Chaos" geschaffen, was die lang­fris­tige Lebens­fähig­keit des Tele­kom­muni­kati­ons­sek­tors bedrohe und Europas digi­tale Ambi­tionen "gefährde".

Begin­nender Wandel

Gut aufge­nommen wurde die aktu­elle deut­sche Konsul­tation zur Frequenz­lizen­zie­rung, was als gutes Beispiel für eine posi­tive Dynamik ange­sehen werde. "Die deut­sche Regu­lie­rungs­behörde für Tele­kom­muni­kation berät über Vorschläge zur Verlän­gerung der Frequenz­lizenzen um weitere fünf Jahre. Im Gegenzug müssen sich die Betreiber verpflichten, bestimmte Versor­gungs­ver­pflich­tungen zu erfüllen, wie zum Beispiel 99 Prozent der länd­lichen Haus­halte bis 2030 mit schnellen Anschlüssen zu versorgen", stellen die Autoren fest.

"Diese Vorschläge werden den deut­schen Bürgern weitaus mehr Vorteile bringen als die Alter­native - eine Auktion, die den Tele­kom­muni­kati­ons­betrei­bern erheb­liches Kapital entzieht, das andern­falls für die Verbes­serung der Infra­struktur hätte ausge­geben werden können." Auch Spanien, Frank­reich und Portugal hätten in den letzten Jahren ähnliche Entschei­dungen getroffen.

"Letzt­lich geht es hier um die Zukunft der euro­päi­schen Wett­bewerbs­fähig­keit und darum, was es bedeutet, Euro­päer zu sein", heißt es. Glück­licher­weise beginne sich das zarte Pflänz­chen des Wandels abzu­zeichnen. Die poli­tischen Entschei­dungs­träger müssten ihm auch erlauben, zu gedeihen.

Der Netz­aus­rüster Ericsson betonte in einem weiteren State­ment seine "konti­nuier­lichen Bemü­hungen, poli­tische Entschei­dungs­träger zum Handeln im Bereich der euro­päi­schen Wett­bewerbs­fähig­keit zu bewegen".

Eine Einschät­zung (von Henning Gajek)

Die Situa­tion ist nicht einfach, birgt aber auch Chancen. Lange Zeit setzten die Netz­betreiber auf Kompo­nenten von Huawei, die "gut und günstig" sind und nun aus sicher­heits­poli­tischen Gründen gegen neue Kompo­nenten, z.B. von Ericsson oder Nokia, ausge­tauscht werden sollen. Das bedeutet für die euro­päi­schen Anbieter neue lukra­tive Aufträge. Doch die Unter­nehmen haben selbst­gemachte Probleme zu lösen: Nokia war zu lange "mit sich selbst beschäf­tigt", um zahl­reiche Unter­neh­mens­käufe zu inte­grieren. Kritiker warfen Nokia vor, nicht die Technik liefern zu können, die sie bräuchten, die Telekom wech­selte von Nokia zu Ericsson. Auch Ericsson hat es nicht leicht, denn in einem an sich funk­tio­nie­renden Netz läuft ein Austausch des Herstel­lers nie so reibungslos, wie sich das die Kunden vorstellen. Treten zu viele Kinder­krank­heiten auf, entsteht eine schlechte Stim­mung und das verdirbt künf­tige Abschlüsse. Open-RAN, das Aufbre­chen der Netze, um Kompo­nenten verschie­dener Hersteller wech­sel­weise nutzen zu können, bietet Chancen und Risiken. Neue Spieler betreten den Markt und möchten am Kuchen teil­haben.

Es ist aber auch denkbar, dass sich die USA und China wieder annä­hern und ihre Probleme gemeinsam lösen können, womit der Netz­werk­aus­rüster Huawei und seine Kollegen von ZTE oder anderen heute noch nicht so bekannten Unter­nehmen wieder mit im Spiel wären. In China mit weit über 1 Milli­arde Menschen gibt es wenige große Netz­betreiber, in den USA mit ca. 300 Millionen Einwoh­nern sind es im wesent­lichen drei große Netze, darunter die Telekom-Tochter T-Mobile US. In Europa leben eben­falls 300 Millionen Menschen, die von rund 100 Netz­betrei­bern aus 27 Ländern versorgt werden.

Es ist nicht bekannt, ob Telefónica oder die Deut­sche Telekom einge­laden wurden, diesen Brief zu unter­schreiben. Es ist anzu­nehmen, dass sie das tun würden, denn die Forde­rungen sind auch in ihrem Sinne. Telekom-Chef Tim Höttges hat schon öfters vorge­rechnet, wie ein euro­päi­scher Netz­betreiber aussehen könnte. Ist ein gesamt­euro­päi­scher Anbieter denkbar, der dann viel­leicht 50, 100 oder 150 Millionen EU-Bürger versorgen und betreuen kann?

Wenn Europa eine Chance haben will, muss es enger zusam­men­rücken und auch über euro­päi­sche TK-Anbieter nach­denken, für die Hüter des reinen Wett­bewerbs ist das eine schwie­rige Vorstel­lung.

Große Netz­betreiber können große Mengen Technik einkaufen und haben auch die Markt­macht, die tech­nische Entwick­lung mitzu­bestimmen und dafür zu sorgen, dass Fehler möglichst von vorn­herein erkannt und ausge­merzt werden. Große Netz­betreiber können es sich eher leisten, auch dünn besie­delte Regionen auszu­bauen, weil sie über die tech­nischen und finan­ziellen Mittel verfügen und genü­gend Personal und Fach­wissen besitzen. Große Netz­betreiber könnten auch ihre Markt­macht dazu mißbrau­chen, die Preise zu erhöhen und dann sich gemüt­lich zurück­zulehnen, anstatt den Kunden­wunsch nach stabilen überall verfüg­baren Netzen zu erfüllen. Das bedeutet, dass die Netz­betreiber heute schon über die Netze von morgen und über­morgen nach­denken müssen, in Abstim­mung mit den Netz­werk­aus­rüs­tern.

Die Politik muss die Weichen stellen, dass Netze von leis­tungs­fähigen euro­päi­schen Anbie­tern gebaut werden können, muss aber auch einen Rahmen vorgeben, damit die Inter­essen und Rechte der Nutzer und Kunden gewahrt bleiben.

Quelle des vollständigen Artikels:

https://www.teltarif.de/nr0/vodafone-nokia-ericsson-tk-regulierung-politik/news/96514.html

Schlagworte / Tags Telekom,

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