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Warum Vodafone weiter Kunden und Mitarbeiter verliert
Trotz eines vom neuen Deutschlandchef von Vodafone, Philippe Rogge, angekündigten "Neuanfangs" könne sich das Unternehmen "nicht aus seiner selbst verschuldeten Krise" befreien, stellt die gewöhnlich gut informierte Wirtschaftszeitung "Handelsblatt" fest. Der früher "wichtigste Konkurrent der Deutschen Telekom" habe das Vertrauen vieler Kunden verloren und zunehmend zweifele auch das eigene Personal an der Zukunft. Zahlreiche Führungskräfte hätten gekündigt, und es könnten - nach Handelsblatt-Informationen - noch mehr werden.
Dazu soll läuft bei Vodafone ein größeres Stellenabbauprogramm, was die Motivation der Mitarbeiter ohnehin schon dämpft.
Gute Nachrichten: Kundenservice besser erreichbar
Bei Vodafone ist der Wurm drin, berichtet das Handelsblatt.Foto: Picture Alliance/dpa Zwar gibt es auch gute Nachrichten: Das Unternehmen hat in Netz- und Servicequalität investiert. Ein zweistelliger Millionenbetrag habe die Erreichbarkeit des Kundenservice verbessert. Bei Reklamationen oder Störungen gibt es Datengeschenke oder Ersatzrouter - alles Dinge, die bei der Telekom schon länger zum Standard gehören. Rogge habe auch seine IT-Prozesse und die Gesellschaftsstruktur überprüfen lassen. Das wird vom Handelsblatt als sinnvoll angesehen, der der Effekt sei "bislang bescheiden" geblieben.
Auf Erholungskurs?
Vodafone glaube sich auf „Erholungskurs“, weil bestimmte Zahlen (z.B. Vertragskunden Mobilfunk) gestiegen waren. Schaut man sich aber die Zahlen von Telekom oder o2 an, ist Vodafone das absolute Schlusslicht.
Probleme mit dem Kabel
Probleme gibt es mit dem Koax-Kabel-TV-Netz, das Vodafone vollmundig als "Kabel-Glasfaser" vermarktet, das punktuell viel zu oft ausfällt. Dann wurden noch die Preise für die Festnetzanschlüsse erhöht. Die Folge war klar, es hagelte Kündigungen.
Allein im Zeitraum zwischen Juli 2022 und Dezember vergangenen Jahres seien bei Vodafone fast 4,5 Prozent der Breitbandkunden verloren gegangen, rechnet das Handelsblatt vor.
Geben weitere Führungskräfte auf?
Verschiedene Quellen berichten über zahlreiche Kündigungen beim Management. Erfahrene Manager suchten nach "neuen Herausforderungen" oder seien schon weg.
Aktuellstes Gerücht: Geschäftskundenchef Alexander Saul, seit Jahren im Unternehmen, wolle Vodafone demnächst auch verlassen, so hat das Handelsblatt erfahren. Ein Dementi oder eine Bestätigung seitens des Betroffenen oder des Unternehmens gab es jedoch nicht.
Vodafone-Privatkundenchef Andreas Laukenmann war schon vor einiger Zeit gegangen und ist inzwischen in gleicher Position bei o2 tätig. Die ehemalige Finanzchefin Anna Dimitrova, der bei Vodafone eine steile Karriere vorhergesagt wurde, war im Herbst ausgestiegen. Das Handelsblatt nennt noch Christoph Ziller, bisher bei Vodafone für große Immobiliengesellschaften zuständig, der zum Konkurrenten Tele Columbus gewechselt sei.
Bei Vodafone Deutschland selbst werde das Thema Management heruntergespielt.
Massiver Druck aus England
Das Handelsblatt macht die Vorgaben aus der britischen Konzernzentrale in London verantwortlich, die sich immer mehr in Details einmischen und den deutschen Führungskräften "weniger Spielraum als zuvor" ließen. Bisher mussten die Ausgaben einmal im Jahr in England genehmigt werden, inzwischen bereits alle drei Monate. Das nennt sich im Management-Sprech "Zero-Based-Budgeting (ZBB)".
Rechtsstreitigkeiten um Positionen
Beim Arbeitsgericht Düsseldorf, so wurde dem Handelsblatt auf Anfrage bestätigt, laufe ein Rechtsstreit zwischen dem Vodafone-Betriebsrat und Vodafone Deutschland, worin es um die Einstufung einer Bereichsleiterin im Kundenservice gehe. Die Arbeitnehmervertreter seien zur Auffassung gelangt, so das Handelsblatt, dass die Kollegin gar keine leitende Angestellte sei, weil sie auch aufgrund des generell sinkenden Handlungsspielraums keine unabhängigen Entscheidungen treffen könne.
Deutscher Markt für Vodafone wichtig
In Düsseldorf ist das angespannte Verhältnis zur Konzernmutter in London ein uraltes Thema, das mit der spektakulären Übernahme von Mannesmann D2 Privat durch Vodafone begonnen hatte, damals vor 24 Jahren.
Früher habe Vodafone Deutschland noch "selbstbewusste" Chefs gehabt, erinnert das Handelsblatt an Fritz Joussen (der Kabel Deutschland nicht kaufen durfte und ging), Jens Schulte-Bockum (der trotz guter Kontakte nach England auch regelmäßig ausgebremst wurde) und Hannes Ametsreiter, der irgendwann erkannte, dass die Zentrale in allen wesentlichen Fragen bis ins Detail mitentscheiden wollte.
Dabei ist das Vodafone-Geschäft in Deutschland mit rund 30 Prozent am Weltumsatz beteiligt. Aber nur da. Wer beispielsweise den Vodafone-Stand auf dem Mobile World Congress besucht und dort nach Vertretern aus Deutschland fragt, erntet nur ratlose Gesichter, als ob es diesen Unternehmensteil gar nicht gäbe.
Vielleicht ist es der Nachteil der deutschen Tochter, dass sie ganz alleine der Vodafone plc gehört. In allen anderen Ländern und Märkten sind Partner an Bord, die mitreden können und das auch tun. Viele Landesgesellschaften wurden bereits ganz oder in Teilen verkauft.
Auch in England steht die Fusion von Vodafone mit dem Mitbewerber "Three" bevor, der dem Hongkonger Investor CK Hutchison gehört.
Britische Manager mischen sich in Deutschland ein
Immer mehr britische Manager fühlten sich seitdem für Deutschland direkt zuständig, weiß das Handelsblatt zu berichten. Da seien Konflikte vorprogrammiert. Philipp Rogge, der durchaus sympathisch auftritt, habe bei der Vodafone-Gruppe wie seine Vorgänger viel zu wenig Entscheidungskompetenz, er müsse sich in England alle wesentlichen Aussagen absegnen lassen und beweise zu wenig Rückgrat, so die Kritik aus Unternehmenskreisen.
Ja, es sei bereits so weit, ermittelte das Handelsblatt, dass manche Vodafone-Mitarbeiter sich den "Marketing-Mann Hannes (Ametsreiter)" zurück wünschten, der den Vodafone-Begriff „Giga“ erfunden hatte.
Verwirrung durch den „Trittbrettfahrer“
Bekanntlich gelang 1&1 Chef Ralph Dommermuth der Coup, mit Vodafone ein 5G-Roamingabkommen für seine knapp 12 Millionen Kunden auszuhandeln.
Der Deal sei aber laut Insidern nicht in Deutschland, sondern weitgehend direkt mit der Vodafone-Gruppen-Chefin Margherita Della Valle in England ausgehandelt worden. Eingefädelt hatte das Ex-Vodafone-Deutschland-Chef Fritz Joussen, inzwischen als Berater für Dommermuth tätig. Philipp Rogge, so das Handelsblatt, sei nur in einer "Nebenrolle" dabei gewesen.
Der 1&1-Deal birgt für Insider gewaltige Risiken: Vodafone müsse sein Netz massiv und teuer aufrüsten, damit es die 12 Millionen neuen Kunden auch verkraften könne. Für die Vodafone-Gruppenchefin seien das zwar zunächst willkommene Einnahmen, aber 1&1, so die Kritik aus Düsseldorf, sei am Ende doch ein gefährlicher Konkurrent. Man befürchte, dass 1&1 in lukrativen Ballungsgebieten bald sein "eigenes" Netz verwende und sich in der Provinz auf dem Vodafone-Netz "ausruhen" könne. Das würde am Ende eher mehr Kosten als Nutzen bedeuten, so die Befürchtungen - die Kritiker schimpften auf den "Trittbrettfahrer" aus dem Westerwald.
Deutsche Probleme dämpfen Aktienkurs
Die Probleme in Deutschland schlagen sich inzwischen bereits im Aktienkurs der Vodafone-Gruppe nieder. Investoren hätten den weltweit hochverschuldeten Konzern an der Börse zuletzt nur noch auf rund 20 Milliarden Euro bewertet. Das sei die niedrigste Bewertung seit 1999, schreibt das Handelsblatt abschließend.
Quelle des vollständigen Artikels:
https://www.teltarif.de/nr0/vodafone-handelsblatt-krise-england-boerse/news/94660.html